Power ON!

In Abu Dhabi entsteht das erste Solarthermie-Kraftwerk auf der Arabischen Halbinsel. Es soll schon bald Strom für mehr als 20.000 Haushalte produzieren – umweltfreundlich dank der Kraft der Sonne. Das Herz der Anlage: eine Dampfturbine von MAN.

55 Grad würde die Temperatur im Schatten betragen – wenn es etwas gäbe, das einen Schatten werfen könnte. Aber hier, außerhalb der Kleinstadt Madinat Zayed, steht weit und breit kein Gebäude, kein Baum, und am Himmel zeigt sich keine Wolke. Ideale Voraussetzungen für die Erzeugung von Sonnenenergie. An diesem Ort, 150 Kilometer südöstlich von Abu Dhabi, scheint die Sonne mehr als 3.000 Stunden im Jahr mit voller Kraft. Zum Vergleich: In Deutschland sind es je nach Region 900 bis 1.100 Stunden.

"Der Markt für Solarthermie verfügt über gute Aussichten. Wir haben in diesem Bereich schon viele Aufträge gewinnen können"

THOMAS WITT, PROJEKTLEITER
MAN DIESEL & TURBO

Sonnenspiegel des Krafwerks Shams (Foto)

Wer nun meint, hier würden Solarzellen in der Wüste aufgestellt, der irrt. Denn der Betreiber des Kraftwerks Shams (arabisch für „Sonne“) setzt auf eine innovative Technologie, die für Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung besonders geeignet ist: die Solarthermie. Dabei werden die Sonnenstrahlen mit Spiegeln eingefangen und – ähnlich wie bei einer Lupe – auf einen Punkt gebündelt, der sich stark erhitzt. Im Kraftwerk Shams kommen insgesamt 260.000 dieser halbschalenförmigen Spiegel zum Einsatz, die über eine Fläche von zwei Quadratkilometern verteilt sind. Genau im Brennpunkt der Spiegel verlaufen Glasrohre, gefüllt mit einem speziellen Öl, das von den Sonnenstrahlen auf fast 400 Grad erhitzt wird. Das Öl fließt durch einen Wärmetauscher, in dem speziell aufbereitetes Wasser verdampft. Dieser Wasserdampf dehnt sich dann in einer Turbine auf das Zweitausendfache seines ursprünglichen Volumens aus und treibt sie so an – ein ähnlicher Prozess, wie er in Kohlekraftwerken abläuft.

Die Turbine, so hoch wie zwei stattliche Männer und länger als ein Schwerlast-Lkw, erzeugt mitten in der Wüste Strom für 20.000 Haushalte. Sie stammt aus Deutschland, aus dem Werk Oberhausen von MAN Diesel & Turbo. Zwar ist MAN vor allem als Nutzfahrzeughersteller bekannt, doch das Geschäft mit Großdieselmotoren für Schiffe oder Kraftwerke, mit Kompressoren und Turbinen macht weltweit rund 20 Prozent des Umsatzes aus. „Solarthermische Kraftwerke sind nur eine von vielen Anwendungsmöglichkeiten für die Turbomaschinen“, erläutert Thomas Witt, der große Kundenprojekte bei MAN leitet. „Der Markt für Solarthermie verfügt über gute Aussichten. Wir haben in diesem Bereich schon viele Aufträge gewinnen können. Mehrere Anlagen, an denen wir beteiligt waren, sind bereits in Betrieb gegangen, zum Beispiel in Spanien.“ Als Teil seiner breiten Produktpalette verkauft das Unternehmen pro Jahr rund 30 bis 40 Stück der mehrere Millionen Euro teuren Maschinen – für die Stromerzeugung wie auch als mechanischer Antrieb, zum Beispiel für große Kompressoren. Bei den MAN Turbinen handelt es sich um Spezialanfertigungen, die auf Basis eines Baukastens für die jeweilige Anwendung neu konstruiert werden. Die Turbine ist das Herzstück des Kraftwerks. Sie muss ganz genau an die Strömungsverhältnisse in der jeweiligen Anlage angepasst werden. So wird zum Beispiel das Design der Schaufeln, die der Dampf antreibt, für jede einzelne Maschine neu berechnet. Für das Kraftwerk Shams war es zudem notwendig, eine besondere Isolationsschicht aufzubringen. Denn nachts, wenn die Turbine nicht läuft, wird es in der arabischen Wüste empfindlich kalt. Ohne Wärmedämmung bräuchte die Turbine morgens zu lange, um ihre Betriebstemperatur wieder zu erreichen.

Von der Bestellung einer Großturbine bis zur Verladung können mehrere Monate vergehen. Für Projektmanager Witt ist die Arbeit mit der Auslieferung der mehr als 200 Tonnen schweren Ware aber längst noch nicht erledigt. Er betreut auch den Transport, die Installation vor Ort und die Inbetriebnahme. Im Frühjahr 2013 folgen die ersten Tests. Wenn alles läuft wie geplant, wird das Kraftwerk jedes Jahr 175.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen. Witt muss sich dann von seinem „Baby“, wie er die Turbine liebevoll nennt, verabschieden. Aber er wird sich an diese Abschiede gewöhnen müssen, denn neue Anfragen kommen nicht nur aus dem arabischen Raum, sondern auch aus China, Indien, Südafrika und anderen Orten, an denen die Sonne den größten Teil des Jahres scheint.

Solarfeld Shams 1 (Grafik)

AUTOR Johannes Winterhagen

FOTOGRAFIE Shams Power Company; Jorge Ferrari

WEITERE INFORMATIONEN www.mandieselturbo.de

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